In der Diskussion um die angestrebte Verkehrswende wird oft vorschnell davon ausgegangen, dass mit batterieelektrischen Fahrzeugen eine Lösung für den Mobilitätssektor vorhanden ist. Dabei wird gerne übersehen, dass der Mobilitätssektor nicht nur aus PKWs besteht, sondern ebenso aus Bussen im öffentlichen Verkehr, LKWs und Lieferwagen, Baumaschinen, Landwirtschaftsmaschinen sowie Schiffen und Flugzeugen. In all diesen Fällen ist ein Elektroantrieb mit Batterie noch lange keine realistische Alternative für die breite Masse, weshalb erneuerbare Treibstoffe eine entscheidende Rolle bei der Defossilisierung des Verkehrssektors spielen werden.
Der Begriff ReFuels
In den Medien finden sich zahlreiche Beiträge zum Thema erneuerbare Treibstoffe – kurz ReFuels (für Renewable Energy Fuels). Dabei wird der Begriff jedoch sehr unterschiedlich verwendet, was schnell zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen führt. ReFuels ist ein übergeordneter Begriff für Treibstoffe, die statt aus fossilen Energieträgern aus erneuerbaren Energien hergestellt werden. Dazu zählen nicht nur erneuerbarer Strom, sondern auch Biomasse, Abfall und Sonnenwärme. ReFuels bezeichnet auch nicht nur flüssige Treibstoffe, sondern genauso verschiedene Gase wie Wasserstoff oder Biogas. Wenn somit unterschiedliche Arten von ReFuels aus verschiedenen Energiequellen hergestellt werden können, bedarf es einer weiteren Gruppierung, um diese genauer beschreiben zu können.
Biogene Treibstoffe (Biofuels)
Die erste Untergruppe der ReFuels sind biogene Treibstoffe, welche auch Biofuels genannt werden. Dabei handelt es sich um verschiedene flüssige oder gasförmige Treibstoffe, welche mit einer Vielzahl von Verfahren aus Biomasse hergestellt werden können. In der Schweiz gilt dabei immer, dass nur abfallbasierte Biomasse zur Herstellung verwendet werden darf, um nicht die Nahrungsmittelproduktion zu konkurrieren (Teller-Trog-Tank-Prinzip). So wird beispielsweise aus Gülle, Mist und Ernteresten aus der Landwirtschaft oder aus Klärschlamm von Kläranlagen Biogas hergestellt. Aus Altspeiseölen wie gebrauchtem Frittieröl oder aus Schlachtabfällen werden verschiedene Formen von Biodiesel oder Flugtreibstoff erzeugt. Auch aus Holzabfällen aus Sägewerken können durch Vergasung ReFuels in Form von Wasserstoff hergestellt werden. Viele dieser Produktionspfade werden in der Schweiz schon seit Jahren angewendet und leisten einen beachtlichen Anteil an der Treibhausgasreduktion im Mobilitätssektor.
Synthetische Treibstoffe (SynFuels)
Die zweite Untergruppe der ReFuels sind die erneuerbaren synthetischen Treibstoffe. Diese werden auch SynFuels oder RFNBO (Renewable Fuels of Non-Biological Origin) genannt. Der Begriff RFNBO beschreibt diese sehr treffend als erneuerbare Treibstoffe nicht biologischer Herkunft. Vereinfacht kann gesagt werden, dass praktisch alle SynFuels durch verschiedene chemische Prozesse aus grünem Wasserstoff und CO2 hergestellt werden. Abgesehen vom Wasserstoff, der selbst schon ein SynFuel darstellt, können durch Verbindungen mit dem Kohlenstoff aus dem CO2-synthetisches Methan (Hauptbestandteil von Erdgas) und weiter alle geläufigen flüssigen Treibstoffe wie Methanol, Benzin, Diesel oder Kerosin hergestellt werden. Da der grösste Teil der synthetischen Treibstoffe aus Wasserstoff hergestellt wird, welcher mittels Elektrolyse mit erneuerbarem Strom hergestellt wird, bezeichnet man diese Treibstoffe auch als eFuels. Jedoch sind nach zwei Delegierten Rechtsakten der EU-Gesetzgebung nicht alle eFuels aus erneuerbarem Strom auch als ReFuel anerkannt. Es reicht nicht mehr, grünen Strom zur Herstellung von grünem Wasserstoff zu verwenden, sondern die Produktionsanlagen für grünen Strom dürfen nicht mehr als drei Jahre älter sein als der Elektrolyseur, und der Strom muss zukünftig zur selben Zeit und am selben Ort produziert werden wie der grüne Wasserstoff. Auch die Verwendung von sogenanntem rotem Wasserstoff, der mit Atomstrom produziert wird, oder türkisem und blauem Wasserstoff aus Erdgas, bei welchem aber das entstehende CO2 eingesammelt und gespeichert wird, ist für die Erzeugung von ReFuels nicht anerkannt.
Spezialfälle von ReFuels
Komplizierter wird die Einteilung der ReFuels in Untergruppen, wenn Treibstoffe aus biogenen und synthetischen Energieträgern erzeugt werden. Wenn beispielsweise biogene Altspeiseöle mit synthetischem Methanol zu Biodiesel oder synthetischer Elektrolysewasserstoff mit CO2 aus einer Biogasanlage zu Methan verarbeitet werden, verschwimmen die Grenzen zwischen biogen und synthetisch. In solchen Fällen werden die Produkte je nach Betrachtungsweise mal als BioFuels und mal als SynFuels bezeichnet, und die Anwendung des Begriffs RFNBO ist wegen des Anteils biogener Quellen nicht immer zutreffend.
Auch nicht einfach den bestehenden Begriffen zuzuordnen sind sogenannte Solar Fuels. Diese werden nicht aus Solarstrom hergestellt, sondern direkt mit der Wärme von Sonnenstrahlen. So verarbeitet beispielsweise der mit gebündelten Sonnenstrahlen beheizte Reaktor der Firma Synhelion ein Gemisch aus Wasser, CO2 und Biomethan zu Synthesegas, aus welchem alle möglichen Treibstoffe, auch Kerosin, synthetisiert werden können.
Ein weiterer Sonderfall, welcher nicht immer eindeutig zugeordnet werden kann, sind Treibstoffe, welche aus Kunststoffabfall hergestellt werden. Da hier das Ausgangsmaterial weder Biomasse noch erneuerbare Energie ist, sondern Abfall, der ursprünglich aus fossilen Quellen stammt, werden diese auch als Recycled Carbon Fuels (wiederverwerteter Kohlenstoff-Treibstoff) bezeichnet. Diese werden derzeit nur bedingt als erneuerbar angerechnet.
Nachhaltige Flugtreibstoffe
Beim Ersatz für Kerosin als Flugtreibstoff spricht man im Flugsektor von SAF (Sustainable Aviation Fuel), also nachhaltigem Flugtreibstoff. Dieser Begriff ist wiederum ein Überbegriff sowohl für biogenes als auch für synthetisch hergestelltes Kerosin. In der EU beschlossen und in der Schweiz geplant sind Beimischquoten, welche ab 2025 dem Flugsektor die Verwendung von bestimmten Anteilen an biogenem und synthetischem Kerosin vorschreibt. Diese Anteile sollen dann regelmässig gesteigert werden, damit der Flugsektor seine Klimaziele erreichen kann.
ReFuels als unverzichtbarer Teil der Mobilitätswende
Ob nun biogen oder synthetisch – ReFuels werden gezwungenermassen einen grossen Teil zu einem nachhaltigeren Verkehrssektor beitragen, denn die Elektrifizierung wird in vielen Bereichen noch Jahrzehnte dauern. Und viele Bestandsfahrzeuge werden auch nach der Einführung eines Verbotes für den Verkauf von Verbrennungsmotoren noch Jahre auf der Strasse sein. Zudem können die ReFuels eine bestehende und bewährte Verteil- und Lagerinfrastruktur nutzen, mit sehr hoher Versorgungssicherheit.
Weitere Infos finden sie in der Avenue Herbst 21.