Um dereinst das Ziel einer CO2-neutralen Fliegerei zu erreichen, wird derzeit viel geforscht. Die Wissenschaft und die Politik setzen dabei beim internationalen Flugverkehr grosse Hoffnungen in das sogenannte SAF (Sustainable Aviation Fuel), also einen CO2-neutralen Kerosinersatz aus erneuerbaren Energien. Dieser hat den grossen Vorteil, dass er in der vorhandenen Infrastruktur und den bestehenden Flugzeugen verwendet werden kann.
Auch an elektrischen Antrieben für Langstreckenflugzeuge wird viel geforscht, jedoch ist mit der Serienreife bei Grossflugzeugen frühestens in zehn bis fünfzehn Jahren zu rechnen. Dass es bei Kleinflugzeugen mit dem Elektroantrieb deutlich schneller gehen kann, beweisen zwei Fokusprojekte der ETH Zürich.
Die Entwicklung eines batteriebetriebenen Elektroflugzeugs
Seit 2019 arbeiten an der ETH Studierende aus Maschinenbau und Elektrotechnik im Rahmen eines Fokusprojektes daran, ein vierplätziges Flugzeug des Typ Sling TSi von Sling Aircraft anzupassen und mit einem eigenentwickelten batterieelektrischen Antrieb auszurüsten. Das Flugzeug des CELLSIUS e-Sling Projektes hob am 19. September 2022 zu seinem erfolgreichen Erstflug auf dem Flugplatz Dübendorf ab. Seither befindet die e-Sling in der Flugerprobung.
Der Verein CELLSIUS, der 2022 von Studierenden gegründet wurde, ist für die Instandhaltung, Flugerprobung sowie die Betreuung und Planung zukünftiger Projekte im Bereich der nachhaltigen Aviatik zuständig. Mit Fokusprojekten wie dem CELLSIUS e-Sling erhalten engagierte ETH Studierende in ihrem letzten Studienjahr des Bachelors die einmalige Chance, ihr Wissen in der realen Welt unter Beweis zu stellen. Durch die enge Zusammenarbeit mit der Industrie erhalten sie so neben wertvollem Wissen in den technischen Bereichen auch viel Erfahrung in allen Bereichen des Projekt- und Qualitätsmanagements.
CELLSIUS ist von der ETH finanziell unabhängig, und seine Projekte werden von zahlreichen Finanz-, Fertigungs- und Sachsponsoren aus der Industrie unterstützt. Auch Avenergy unterstützt CELLSIUS bei ihrem neuesten Projekt.
Fliegen mit einer Wasserstoffbrennstoffzelle
Der Name CELLSIUS bezieht sich nicht nur auf das 1,5-Grad-Klimaziel, welches die Studierenden unterstützen möchten, sondern spielt mit CELL auch Batterie- und Brennstoffzellen an. Daher überrascht es nicht, dass ein zweites CELLSIUS Projekt mit Wasserstoffbrennstoffzellen zu tun hat. Schon 2021 wurde das Folgeprojekt CELLSIUS Project H2 ins Leben gerufen. Derzeit arbeiten 16 ETH Studierende an diesem Projekt – mit dem Ziel, ein Wasserstoffbrennstoffzellen-Antrieb für ein Schweizer Lightwing AC4 Flugzeug zu entwickeln. Bereits 2022 wurde ein Prototyp des Brennstoffzellensystems entworfen und erfolgreich getestet. Nun ist das Team daran, in seiner Werkstatt in einem Hangar des Flugplatzes Dübendorf das System weiter zu optimieren, da beim Einsatz in einem Flugzeug auch das Gewicht und der Platzbedarf von entscheidender Bedeutung sind. Damit auch technisch alles zuverlässig läuft, wird das komplette System auf den eigenen Prüfständen ausgiebigen Tests unterzogen. Diese Prüfstände hat das CELLSIUS Team in eigens dafür eingerichteten Schiffscontainern aufgebaut, welche vor dem Hangar stehen. Sowohl das Brennstoffzellensystem als auch der elektrische Antrieb müssen bis ins letzte Detail getestet werden, bevor beide in einem weiteren Schritt in das Flugzeug eingebaut werden können.
Die Grundidee des CELLSIUS Project H2 besteht darin, durch den Einsatz des Antriebstrangs mit einer Wasserstoffbrennstoffzelle eine markante Steigerung der möglichen Flugdauer des Elektroflugzeugs zu erreichen. Das angestrebte Ziel ist eine Reiseflugdauer von über zwei Stunden und damit einer Flugstrecke von 250 km, und das alles ganz ohne CO2-Ausstoss. Dies reicht zwar nicht, um Langstreckenflüge zu ersetzen, aber CELLSIUS sieht mögliche Anwendungsgebiete für das Flugzeug bei Schulungsflügen und Kurzstreckenflügen, beispielsweise bei Rundflügen in den Alpen oder Flugverbindungen zwischen Inseln.
Mehr Infos zu CELLSIUS unter: https://cellsius.aero/