Oldtimer sind charmant, aber als umweltfreundlich sind sie nicht bekannt. Jetzt startet AMAG Classic erste Fahrtests mit Synfuels.
© AMAG
Oldtimer machen Spass, verschönern das Strassenbild und erfreuen manches Herz, nicht nur jenes ihrer Besitzerinnen und Besitzer. Weniger erfreulich sind die Abgase von Oldtimern für die Umwelt, wurden sie doch gebaut, noch bevor es auch nur Katalysatoren gab. Werden Oldtimer deshalb in absehbarer Zeit von den Strassen verschwinden müssen?
Zwar sind Oldtimer viel leichter als heutige Autos, und ihr CO2-Ausstoss ist daher kleiner, als man landläufig annimmt. Trotzdem ist aus Sicht der AMAG Gruppe klar, dass Handlungsbedarf besteht. Sie hat deshalb ein Pilotprojekt lanciert, um zu testen, ob nostalgisch anmutende Oldtimer sich mit zukunftsweisenden Synfuels betanken lassen.
«Theoretisch spricht nichts dagegen, dass ältere Autos mit dem neuen Treibstoff langfristig betrieben werden können. Die ersten Testergebnisse stützen diese Hypothese. Doch ohne saubere Abklärungen dazu würde wohl kaum ein Sammler synthetische Treibstoffe in den zum Teil teuren Fahrzeugen einsetzen.»
Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme und Projektverantwortlicher der EMPA
Zuerst Tests an den Bauteilen
Um das Projekt wissenschaftlich zu fundieren und mit der Treibstoff-Entwicklung abzustimmen, hat die AMAG Gruppe mit der Empa und der Motorex of Switzerland zwei versierte Partner an Bord geholt. Bei AMAG ist der Geschäftsbereich AMAG Classic federführend.
Seit Herbst 2022 läuft nun bereits das Pilotprojekt. Noch vor den Fahrversuchen wurden Material- und Verträglichkeitsprüfungen an Bauteilen zwischen Tank und Einspritzung respektive Vergaser durchgeführt. Erste Erkenntnisse: Die alten Bauteile scheinen sich mit modernem Synfuel zu vertragen.
Danach Strasse, Garage, Strasse
Nach solchen Verträglichkeitsprüfungen ging es auf die Strasse, aber nicht nur. Realbetrieb bei Oldtimern heisst bekanntlich, dass die Fahrzeuge an einem schönen Tag gefahren und dann wieder längere Zeit weggestellt werden, um das nächste Mal bei schönem Wetter gefahren zu werden. Ein unregelmässiger Fahrzeugbetrieb wirkt sich anders auf die einzelnen Bestandteile aus als der tägliche. Für den Testbetrieb heisst das: Mit dem Oldtimer auf die Strasse, dann längere Zeit in die Garage und erst dann wieder auf die Strasse.
Auch wenn das Pilotprojekt noch nicht abgeschlossen ist, sind die ersten Ergebnisse ermutigend: Synfuels betreiben die alten Motoren so geschmeidig wie herkömmliche Treibstoffe.
«Synthetischer Treibstoff ist die Lösung, um neben dem normalen Bestandsfuhrpark auch das Kulturgut Oldtimer in Zukunft weiterhin mit gutem Gewissen zu bewegen. Bei weltweit 1,3 Milliarden Autos mit Verbrennungsmotor kann diese Technologie nebst der Elektromobilität einen relevanten Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen leisten.»
Dino Graf, Leiter Group Communication und Projektverantwortlicher der AMAG
Damit ist aber noch nicht gesagt, dass das Pilotprojekt auch eine Zukunft hat. Bei Besitzerinnen und Besitzern von Oldtimern dürfte der neue Treibstoff auf relativ viel Skepsis stossen: Gross ist die Angst, dem lange gehegten und gepflegten Schmuckstück in der Garage durch unangemessenen Gebrauch Schaden zuzufügen.
Für die beteiligten Partner ist deshalb klar: Die Testergebnisse müssen erstens «wasserdicht» sein und zweitens braucht es vor einer allfälligen Markteinführung noch viel Überzeugungsarbeit.
AMAG Classic
Die Anlaufstelle für Oldtimer und Youngtimer: Ob Service, Reparaturen, Restaurationen, Ersatzteilsuche oder Miete – bei uns hat Vergangenheit Zukunft.
Wann können wir Synfuels für Oldtimer tanken?
Dino Graf, Leiter Group Communication, hat das Pilotprojekt bei der AMAG koordiniert. Im Interview beantwortet er Fragen rund um das Projekt.
Dino Graf, an welchen Fahrzeugen werden wie viele Tests durchgeführt?
Dino Graf: Wir setzen zwei verschiedene Fahrzeuge ein, eines aus den Sechziger- und das andere aus den Siebzigerjahren. Beide Fahrzeuge werden ausschliesslich mit synthetischen Treibstoffen betankt und von verschiedenen Personen Probe gefahren. Von AMAG-Mitarbeitenden ebenso wie von Personen ausserhalb der AMAG.
Gibt es Unterschiede zwischen den herkömmlichen Synfuels und denjenigen, mit denen man die Oldtimer betankt?
Graf: Ja, die gibt es. Zu Beginn der Versuchsreihe haben wir den synthetischen Treibstoff im Detail analysiert und mit klassischem Benzin verglichen. Dabei haben wir gemerkt: Bei den «Komponenten», die es für den Verbrennungsprozess braucht, gibt es kaum Unterschiede. Jedoch gibt es im Benzin Aromastoffe, die in den Synfuels wegfallen.
Wie ist dieses Treibstoff-Experiment in der Praxis abgelaufen?
Graf: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, doch können wir bislang nichts erkennen, was uns Kopfschmerzen bereiten würde.
Wie ist AMAG eigentlich auf ihre Partner Empa und Motorex gestossen?
Graf: Für uns war klar, dass wir den Test nicht auf eigene Faust durchführen wollten. Zu viel steht auf dem Spiel. Mit der Empa haben wir einen guten Austausch. Im Rahmen einer Diskussion über Synfuels haben wir gemeinsam entschieden, eine Studie nach wissenschaftlichen Grundsätzen durchzuführen. Christian Bach von der Empa hat danach die Versuchsanordnung definiert, und gemeinsam haben wir dann die Test-Etappen festgelegt. Aufgrund dieser Test-Etappen schien es sinnvoll, die Expertise von Motorex hinzuzuholen. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut und professionell.
Wie lange dauert das Pilotprojekt noch?
Graf: Wir sind noch immer in der Testphase und gehen nach aktueller Planung davon aus, dass wir bis Ende des Jahres die Resultate auswerten und das Pilotprojekt abschliessen können.
Wie geht es dann weiter? Werden noch mehr Tests gemacht?
Graf: Wir glauben, dass wir mit dem aktuellen Testprozess die meisten Situationen abbilden und Fragen beantworten können. Bisher sieht es danach aus, dass sich die Oldtimerszene auf die Ergebnisse freuen kann.
Werden die Oldtimer-Synfuels in der Schweiz kommerzialisiert?
Graf: Das ist eine Grundsatzfrage, zu der es verschiedene Meinungen gibt. Ich denke, dass die Treibstoff-Frage für einige Oldtimerbesitzer eine Prinzipienfrage ist und dass sie so schnell wie möglich CO2-neutralen Treibstoff verwenden möchten – auch zu einem hohen Preis. Wir sprechen hier von acht bis zehn Franken, die der Liter kosten wird, bevor die Synfuels massentauglich werden. Auch bei speziellen Renn- und Fahrveranstaltungen könnten Synfuels zu einem solchen Preis eingesetzt werden.
Aber für die meisten Besitzerinnen und Besitzer von Oldtimer ist ein solcher Treibstoff-Preis zu hoch.
Graf: Das ist so. Darum glaube ich, dass «synthetisches Rohöl», wie es zum Beispiel das Schweizer Unternehmen Synhelion ab 2024 produzieren wird, in der nächstgelegenen Raffinerie zusammen mit herkömmlichem Rohöl gemischt und klassisch raffiniert wird. So wird das klassische Benzin etwas «synthetischer» und bekommt eine bessere CO2-Bilanz. Wer trotzdem CO2-neutral fahren möchte, dem kann allenfalls ein fälschungssicheres Zertifikat angeboten werden. Ähnlich wie zu Hause, wenn man beim Elektrizitätswerk zwar den teureren Strom aus Wasserkraft kauft, aber nicht genau sagen kann, woher der Strom aus der Steckdose wirklich kommt.
Ihre Prognose: Wann können die Besitzerinnen und Besitzer von Oldtimern zu einem marktfähigen Preis wirkliche Synfuels tanken?
Graf: Ich könnte mir vorstellen, dass dies zu Beginn der Dreissigerjahre der Fall sein wird.